Reise
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So verläuft meine Reise... Sei mit dabei! - Seite 4
16. Juni hier: Stewart, British Columbia
Ein neuer Morgen im Paradies! ;-) Auf geht’s in Richtung Liard Hot Springs. Erikas Liste will schließlich abgearbeitet werden. Als heutiges
Etappenziel habe ich Watson Lake, eine Kleinstadt direkt an der Grenze des Yukon Territory zu British Columbia, auserkoren. 440 KM auf dem
berühmten Alaska Hwy. sollten problemlos machbar sein. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass ich heute die erste große Etappe auf dieser
Trasse befahren werde. Erst nachträgliche Recherchen haben ergeben, dass auch die eintönige Gerade zwischen Dawson Creek und Tok, kurz vor
dem Top Of The World Hwy., bereits zu der Straße zählt, welche jeden Sommer tausende Touristen aus südlicheren Gefilden in den hohen Norden
spült. Gebaut wurde der Hwy. übrigens während des zweiten Weltkriegs durch das amerikanische Militär als der Angriff der Japaner auf Pearl
Harbor die Verwundbarkeit Alaskas und damit die militärische Bedeutung einer solchen Straße offenbarte.
Wie auch immer, pünktlich eine Stunde nach dem innerlich mit mir selbst vereinbarten Abfahrtszeitpunkt befahre ich, gemeinsam mit meinem treuen
Packesel Elektra, den berühmten Hwy. in Richtung Süden. Nach ca. 170 KM passieren auch wir Teslin, den Ort, in welchem die California Boys
zwei Tage zuvor übernachtet haben. Das Örtchen ist wie geschaffen für eine erste Rast. Die beindruckende Stahlkonstruktion der Brücke, die einen
Teil des Nuslin River Delta überspannt, muss einfach in mindestens einem Bild festgehalten werden. Ich hatte übrigens Glück die Brücke bei
schönem Wetter überqueren zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass die als Fahrbahn verlegten Stahlgitterroste bei Regen für Motorrad-
fahrer echt heimtückisch sein können, sofern die Gashand einmal an der falschen Stelle zuckt. Möglicherweise aufkommende echte Entspannung
während des kurzen Aufenthalts weiß die hier beheimatete Armada gefräßiger Moskitos allerdings wirkungsvoll zu verhindern. So ist es nicht
wirklich keine schwierige Entscheidung bereits nach ein paar Fotos und einem Schluck aus der Wasserflasche den Esel wieder ins Rollen zu
bringen.
Jeder weitere KM durch die hier wieder abwechslungsreichere Hügel-, Berg- und Flusslandschaft lässt bei mir noch einmal den Respekt für die
Erbauer dieser, wie auch allen weiteren Straßen hier im hohen Norden, anwachsen. Besonders hart im Nehmen müssen glaube ich die Leute sein,
welche die Straße jedes Jahr wieder aufs neue zusammenflicken, nachdem der Winter sie an einigen Stellen erneut komplett vernichtet hat. Was
soll das, werden die Süddeutschen, die Österreicher, Schweizer, Italiener und wer immer noch denken? Wir haben hier auch Winter und müssen
jedes Frühjahr den Scherbenhaufen zusammenkehren. Stimmt, aber ich bin fest davon überzeugt, der Winter hier ist noch einmal eine ganz andere
Herausforderung. Allein die Entfernungen sind monströs und dann steht sicherlich bei dem ein oder anderen die Frage im Raum: Für wen mache
ich das hier eigentlich? Im Vergleich zu Europa herrscht hier nicht gerade echtes Gedränge auf der Straße.
Mache ich mir eigentlich wirklich gerade Gedanken um solche Lappalien? Ich denke so langsam wird ersichtlich, dass ich einfach zu viel Zeit habe,
die ich obendrein auch noch allein verbringe. Ich brauche dringend jemanden zum Reden! ;-) Möglichst schnell! Wie so oft wird mein Flehen
schneller erhört als gedacht. In Watson Lake angekommen durchfahre ich den Ort zunächst, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Der ist,
ich will es mal so ausdrücken, nicht unbedingt überwältigend. Die Hauptattraktion, den Schilderwald von Watson Lake, lasse ich dabei ebenso links
liegen wie das Visitor Center, welches ich üblicherweise regelmäßig in die Einführungsrunde einbinde. Ein wenig enttäuscht rolle ich vor eine der
vier Zapfsäulen der letzten, ziemlich verlassen dastehenden Tankstelle am südlichen Ortsausgang. Es ist schon beeindruckend in welch blumigen
Worten der ödeste Ort in manchem Reiseführer geschildert wird. Ich verrate nicht, welchen ich mir unters Kopfkissen gelegt habe. Aber, darum bin
ich ja hier, um die Vorstellung mit der Wirklichkeit auszugleichen (siehe Zitat: www.leaveyourowntracks.de).
Verlassen wie die Tankstelle erscheint mir auch der Kassierer beim Betreten des angeschlossenen Shops. Als ich ihm die Nummer der Säule
durchgebe und ihn frage, wie es ihm den so geht, antwortet er mit einem derart krassen Akzent, dass nicht im Traum daran zu denken wäre, dass
dieser Mensch seinen Ursprung nicht in Deutschland gehabt haben könnte. Ohne es jedoch hundertprozentig genau zu wissen, gebe ich mich ihm
gegenüber direkt als Landsmann zu erkennen und siehe da, vor mir steht tatsächlich ein weiteres Exemplar der deutschen Community in Kanada.
Dieses mal handelt es sich um einen echten Aussteiger oder zumindest um jemanden den ich für einen solchen halte. Menschen wie er gehören in
eine Fernsehshow und nicht die Pseudoauswanderer, die man uns in Deutschland tagtäglich auf der Mattscheibe als wahre Helden verkaufen will.
Der Mensch hat eine Geschichte zu erzählen und das tat er dann auch. Die nächste Stunde philosophieren und diskutieren wir gemeinsam über
das Leben, Politik und Religion. Wunderbar! Dieser Mann vertritt nicht im geringsten die Ansichten des üblichen Durchschnittsdeutschen und ich
empfinde es ausnahmslos als echte Bereicherung dass er mir diese unaufgefordert mitteilt. Wie gesagt, ich musste einfach mal reden! ;-) Gestört
wurde unsere Konversation übrigens nicht ein einziges mal. Kein weiterer Kunde verirrte sich an eine der drei noch freien Zapfsäulen. Auf meine
Frage wie den die Geschäfte so gingen entgegnete der Mann, dass der Laden im Winter geschlossen bleibt. Im Sommer sei hier allerdings einiges
los. Ich verließ die Tankstelle um ein interessantes Gespräch bereichert, aber mit dem Verdacht, dass ich an diesem Sommertag wohl der einzige
Kunde geblieben sein könnte. „Es ist einiges los“, ist eben auch ein dehnbarer Begriff. ;-)
Immer noch enttäuscht über die Ödnis des Ortes beschließe ich, die Grenze zu British Columbia noch heute zu überqueren und die verbleibenden
200 KM bis zu den Liard River Hot Springs hinter mich zu bringen. Eine Entscheidung die sich angesichts der bereits fortgeschrittenen Stunde fast
als Dummheit herausgestellt hätte. Nicht weil die Straßenverhältnisse die Weiterreise besonders erschwert hätten. Dunkel wird es hier oben zudem
immer noch recht spät. Nein, ich musste an meinem eigentlichen Ziel angekommen feststellen, dass diese heißen Quellen nicht gerade zu den
„hidden secrets“ gehören, die nur wenige Eingeweihte kennen. Der wirklich ansehnliche staatliche Campingplatz war bei meiner Ankunft gegen
21:00 Uhr auf jeden Fall bis zum letzten Platz ausgebucht. Darüber hinaus standen die Wohnmobile der etwas vor mir angereisten Camper bereits
dicht an dicht auf dem gegenüberliegenden Parkplatz. Und jetzt!? Wo soll ich denn jetzt übernachten? Der letzte Campingplatz den ich auf dem
Weg passiert habe liegt 60 KM zurück. Wie würde man so schön sagen, ich hatte keinen Bock die Strecke wieder zurück zu fahren!
Einziger Rettungsanker schien die ebenfalls gegenüber den heißen Quellen gelegene Liard River Hot Springs Lodge, welche sicherlich nur voll-
kommen überteuerte Zimmer im Angebot hat. Ab siehe da, die etwas mürrische Dame hinter der Rezeption konnte mir doch tatsächlich noch eine
Übernachtungsmöglichkeit auf dem der Lodge angeschlossenen Campingplatz anbieten. Ich denke, diesen Zeltplatz hat man bewusst gut hinter
dem Haus versteckt, da er in punkto Ansehnlichkeit einem direkten Vergleich mit dem staatlichen Campingplatz nicht einmal ansatzweise das
Wasser hätte reichen können. Was soll’s, in der Not frisst der Teufel fliegen und so errichtete ich mein Haus auf einem der steinigen
Caravanparkplätze.
Angst vor Bären müsse ich hier übrigens nicht haben, wie ein weiterer Camper zu berichten wusste. Dies ist das Revier der Bisons. Hier haben die
Bären keine Chance. Habe ich das bislang überhaupt erwähnt? Tatsächlich wimmelte es auf dem Stück von Watson Lake hier her nur so von wilden
Kreaturen. Ohne zu übertreiben habe ich bestimmt zehn Schwarzbären und immerhin einen Braunbären am Wegesrand sitzen sehen. Einige ließen
sich sogar mehr schlecht als recht fotografieren. Und tatsächliche haben auf diesem Stück auch die ersten riesen Büffel meinen Weg gekreuzt.
Diese Begegnungen trugen natürlich enorm zu der Euphorie bei, die ich beim Eintreffen an meinem Tagesziel verspürte. Direkt vor der Lodge lagen
und standen dann weitere dieser beeindruckend großen Bisons. (Wie konnte ich das bislang nur unerwähnt lassen?) Da die Kameraden aber
dermaßen ruhig und treu dumm in der Gegend herumstanden (Wie auch unzähliger Bilder beweisen.) bin ich davon ausgegangen, dass es sich
hierbei um zahme Vertreter handelt, die der Lodge angehören. Aber weit gefehlt! Hierbei handelte es sich sehr wohl um wilde Bisons, die gerade ihr
Revier, zu welchem auch die Lodge gehört, durchstreiften. Am nächsten Morgen waren sie verschwunden und nie mehr gesehen. Ärgern sollte
mich das aber nicht, spätestens im Yellow Stone Park würde ich tausende ihrer Art sehen.
Nachdem ich am nächsten morgen kurz die Wäsche gewaschen hatte, diesen Vorteil bot der unansehnliche Campingplatz gegenüber dem staat-
lichen Vertreter, genoss ich dann endlich das wohlverdiente Bad in den heißen Liard River Quellen. Eine Wohltat für den geschundenen Rücken
sage ich euch! Die Stege durch das morastige Gebiet hin zu den Quellen sind übrigens top in Schuss, wie auch die gesamte Anlage. Wer jemals
hier vorbeikommt sollte ebenfalls Erikas Rat befolgen und einen Stopp an diesem entspannenden Ort einlegen. Es müssen ja nicht direkt zwei
Nächte sein. In einem Campmobil lässt sich so ein kurzer Aufenthalt sicherlich ganz anders planen.
Erikas Liste der Schönheiten des Landes ist dann auch der Grund dafür, warum ich beschloss dem Alaska Hwy. den Rücken zu kehren und dem
Stewart-Cassiar Hwy. zu folgen. Hierfür musste ich allerdings die gesamten 200 KM nach Watson Lake zurückfahren. Eigentlich ist das überhaupt
nicht meine Sache, aber laut Erika soll sich der Umweg auf jeden Fall lohnen. In Watson Lake angekommen fand ich dann auch die Muße mir die
Hauptattraktion des Ortes, den Sign Post Forest (Schilderwald) anzuschauen. Diese beeindruckende Ansammlung von Orts- und Verkehrsschildern
aus aller Welt, geht auf den Private Carl K. Lindley, einem der Erbauer des Alaska Hwy., zurück. Dieser erhielt 1942 die Aufgabe einen defekten
Wegweiser zu reparieren. Um dem ganzen eine persönlichere Note zu geben, entschied er sich ein Schild hinzuzufügen, welches die Richtung und
Entfernung zu seinem Heimatort angab. Tausende Menschen von überall auf der Welt brachten seitdem weitere Schilder mit und an den eigens
dafür aufgestellten Pfählen an. Im Licht der Mittagssonne war ich dann doch ziemlich fasziniert von diesem Platz. Vor allem, als ich neben
zahlreichen Schildern mir bekannter Orte auch noch ein Ortsschild meiner Kreisstadt Mettmann fand. Nicht Wülfrath aber immerhin. ;-) Manche Orte
muss man einfach zweimal besuchen um ihre Reize zu entdecken.
Aus dem Süden kommend biege ich kurz hinter Watson Lake auf den Stewart-Cassiar Hwy. ein. Die nächsten 70 KM sind echt öde und werden von
den Überresten eines enormen Waldbrandes dominiert. Ich möchte beim besten Willen nicht wissen, wie lange und wie heftig dieses Feuer gewütet
hat. Danach verändert sich die Natur aber dermaßen dramatisch, dass einem an einigen Stellen den Atem stockt. Nach 465 KM erreiche ich mit
Dease Lake mein heutiges Tagesziel. Es wäre zwar noch mehr drin, aber die Gegend ist so einsam, dass ich einfach nicht weiß, wann sich die
nächste Schlafgelegenheit bietet. In diesem Ort mache ich Bekanntschaft mit der ersten wirklich unangenehmen Person im Verlauf meiner Reise.
Nach kurzem Tankstopp erfrage ich den Preis für ein Zimmer im nächstgelegenen Hotel. Die aufgerufenen 120 Dollar liegen weit über meinem
Budget so dass ich dem Caravanpark am Ort einen Besuch abstatte. Dieser ist schätzungsweise zu 5,5 % ausgebucht und so wird mich der
Besitzer sicherlich mein Zelt auf einem der zahlreichen freien Plätze errichten lassen. Mitnichten! Dieses ausgemachte A... verweist mich
stattdessen auf ein Schild, welches er am Eingang zu seinem Privatgrund aufgestellt haben will, dass eindeutig darauf hinweist, dass hier keine
Zelte aufgestellt werden können. Are you kidding me? There is no sign and your whole rv park is empty! War meine Antwort. Aber, der Mensch
schien weder auch nur einen Dollar extra zu benötigen noch schien er sich überhaupt mit anderen Menschen auseinandersetzen zu wollen. Beide
Eigenschaften sind nicht wirklich geschäftsfördernd. Wenn ich mich richtig erinnere das erste mal wütend seit meinem Reiseantritt verlies ich diesen
ungastlichen Ort und fuhr das nächstgelegene Hotel an. Hier würden am Ende 99 Dollar auf der Rechnung stehen, aber dass war mir mittlerweile
egal. Es gab zwar noch einen weiteren Campingplatz irgendwo im Wald, ich hatte aber einfach keine Lust mehr diesen zu suchen.
Wie vorher bereits mehrfach erwähnt, liegen Freud und Leid einfach immer nah beieinander. Der Inhaber dieses Hotels war mehr als freundlich. Er
offerierte ein kostenloses Frühstück, einen sicheren Platz für das Motorrad und ein wirklich fürstliches Zimmer. Darüber hinaus war er ein ausge-
machter Fußballfan und wollte sich unbedingt mit mir über die WM unterhalten. Jetzt bin ich in Deutschland zwar nicht als glühender Supporter
eines Teams bekannt, aber hierfür hat es ausgereicht. ☺
Der nächste Tag brachte dann bei strahlendem Sonnenschein wirklich alle Vorzüge dieser Route zur Geltung. Die auch hier noch schneebedeckten
Gipfel erstrahlten vor dem Blau des Himmels und spiegelten sich in den ruhig daliegenden Gebirgssehen, dass es nur so eine Freude war. Das mit
Abstand absolut größte Highlight erwartete mich aber an meinem heutigen Etappenziel, dem kleinen Örtchen Stewart. Dort gegen 18:00 Uhr
angekommen beschloss ich direkt noch dem kleinen Örtchen Hyder einen Besuch abzustatten, der sich wieder auf dem Staatsgebiet der USA
befindet und dem entsprechend zu Alaska gehört. Eine Grenzkontrolle zur Einreise in die USA gibt es nicht, was die Sache merklich erleichtert. In
Hyder angekommen, stehen da doch tatsächlich neben einer etwas traurig daherkommenden Kawasaki 650 LR zwei KTM 990 Adventure vor einer
Kneipe. Die ersten auf meiner Tour. Eine davon sieht auch noch genauso aus wie meine! Zielstrebig fuhr ich darauf zu als genau in diesem Moment
die Besitzer das Lokal verlassen. Die nun folgende Begrüßung könnte unter langjährigen Freunden nicht besser sein. Die drei Jungs waren mir auf
Anhieb sympathisch und der an ihren Maschinen haftende Dreck beeindruckte mich, wies er diese Typen doch als echte Offroadfahrer aus.
Auf den Dreck angesprochen, erklärten sie mir, dass sie soeben von dem hier zu besichtigenden Gletscher gekommen sind und jetzt ihr Hotel in
Stewart ansteuern wollen. Gletscher?! Stimmt, davon habe ich in meinem ADAC Reiseführer (oh, jetzt ist es raus) gelesen. Irgendwie habe ich dass
aber wieder verdrängt. Die Jungs erklärten mir, dass ich mir diesen auf jeden Fall ansehen sollte. Es wären auch nur 20 Minuten bis oben und das
Gepäck, was ich natürlich im Gegensatz zu Ihnen noch aufgeschnallt hatte, wäre kein Problem. Bei meiner Neugier war klar, dass es jetzt kein
Umkehren mehr gab. So machte ich mich umgehend auf den Weg, nicht ohne mich zuvor noch mit den Jungs auf ein Bier in Stewart zu
verabreden.
Ca. fünf wirklich zügige Fahrminuten später wich der Asphalt einer Schotterpiste, welche sich in zahlreichen Kurven den Berg hochschlängelte. Und
tatsächlich, ca. 20 Minuten und einige zu überwindende Hangrutsche später erreichte ich einen Punkt von welchem aus die Ausläufer des Glet-
schers zu sehen waren. Fantastisch! Aber die Straße schlängelte sich noch wesentlich weiter den Berg hinauf und meine Neugier war immer noch
nicht befriedigt. Weiterzufahren war somit eine Entscheidung ohne weitere Optionen. Mit jedem Meter dem ich dem Gipfelpunkt näher kam stieg der
Respekt vor den Jungs. Die hatten das wirklich in 20 Minuten geschafft. Wow! Ich fuhr für meine Verhältnisse wirklich einen heißen Reifen. Kein
Vergleich zu den Offroadanfängen im Rahmen von Stephans Endurotraining in Belgien. Das Gepäck wurde heftig hin und her gerüttelt und ich
möchte mir nicht ausmalen wie viele Schlaglöcher das Fahrwerk ausgebügelt hat. Wie haben die das gemacht!?
Am Gipfel angekommen erwartete mich eine Szenerie, bei der ich wirklich nach Worten suchen muss um es einigermaßen anschaulich
wiederzugeben. Stellt euch einfach folgende Begebenheiten an einem Ort, zur gleichen Zeit vor:
• Es ist 19:30 Uhr.
• Der Himmel ist strahlend blau und die Sonne steht direkt über euch.
• Ihr befindet euch auf etwas über 1.000 Meter Höhe.
• Vor euch liegt ein strahlendweißer mächtiger Gletscher, dessen zwei
Seitenarme direkt vor euch jeweils nach links und rechts verzweigen.
• Es geht kein Lüftchen.
• Es ist absolut still.
• Ihr seid vollkommen allein!
• Es gibt ein Toilettenhäuschen! ;-)
Ich war absolut fasziniert von der Szenerie und bin es immer noch. So viel Glück muss erst einmal zusammenkommen, einen solchen Ort bei wirk-
lich außergewöhnlich gutem Wetter, vollkommen allein bestaunen zu können. Ich war so fasziniert dass ich nach einer ausführlichen Fotosession
kurzerhand beschloss der Straße noch weiter zu folgen. Erst als ich einen ausgedienten Tunnel erreichte, der nicht durchfahren werden konnte,
beschloss ich umzukehren. Ich war nicht wirklich scharf darauf zu erfahren, wer oder was sich in dem dunklen Gewölbe alles so versteckt hielt.
Mittlerweile zeigte der große Zeiger der Uhr auf die neun und so beeilte ich mich wieder in Stewart angekommen den Campingplatz am Ort aus-
findig zu machen und das Zelt aufzubauen. Eine halbe Stunde später fuhr ich vor dem Hotel der Endurofanatiker vor um ihnen den angemessenen
Respekt für ihre Leistung zu zollen. Lange suchen musste ich nicht. Die drei hatten kurzerhand den Parkplatz vor dem Hotel zu ihrer Veranda
erklärt in dem sie die Stühle aus dem Zimmer auf die Straße gestellt hatten. Ich besorgte noch schnell ein Sixpack im Restaurant gegenüber
(eigentlich zu der Zeit nicht mehr möglich ;-) und kurze Zeit später ging ein einmaliger Tag in einen ebenso einmaligen Abend über.
Ich hatte die erste Dose noch nicht ganz gelehrt, als ich bereits genügend Demut verspürte den vor mir sitzenden alten Hasen meine Anerkennung
zu zollen, den Berg in nur zwanzig Minuten beklommen zu haben und so begann ich dann mit der Schilderung meiner Erlebnisse vom Gletscher,
dem Gipfel und so weiter. Anders als erwartet blickte ich dabei aber lediglich in leere Gesichter. Meine Schilderungen passten überhaupt nicht so
richtig zu den Erlebnissen der drei. Was stimmt den hier nicht? Da die Eindrücke wirklich einmalig waren, hatte ich meine Kamera mitgebracht um
meine Bilder mit denen der Jungs abzugleichen. Nachdem ich meine Bilder zeigte herrschte für kurze Zeit betretenes Schweigen und dann fragte
einer: Bist du die Schotterpiste etwa bis oben gefahren? Ja, ihr doch auch? Nur dass ihr dafür lediglich zwanzig Minuten gebraucht habt. Jetzt gab
es für die drei kein halten mehr. Prustend vor Lachen hielten sie sich die Bäuche und erklärten mir, dass sie lediglich bis zu meinem ersten Foto-
stopp gefahren wären. Auf dem Rückweg wäre einer von ihnen dabei fast noch über die Klippe gefahren, da er für einen kurzen Moment unauf-
merksam war. Jetzt war ich es, dem Anerkennung gezollt wurde. Nicht schlecht, dafür dass ich es gar nicht erwartet habe. Meine Bilder führten
dazu, dass die drei 3:0 abstimmten den Weg am nächsten Tag noch einmal zu fahren um ebenfalls den richtigen Gipfel zu sehen. Ob sie es wirklich
getan haben kann ich nicht sagen. Als ich am nächsten Morgen an ihrem Hotel vorbeifuhr waren die Motorräder bereits verschwunden.
Kein Wunder, war ich doch heute wirklich sehr spät aus den Federn gekommen. Woran kann dass wohl gelegen haben? Eine Erklärung könnte
natürlich sein, dass wir noch bis halb eins nachts gemeinsam unsere Sixpacks gelehrt haben. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass ich nach
meiner Rückkehr zum Campingplatz nicht direkt im Zelt verschwunden bin. Natürlich musste ich noch die Einladung des direkt neben mir
campierenden kanadischen Pärchens annehmen doch noch auf ein Bier vorbeizukommen. Ich kann mich dunkel erinnern, dass eines meiner
letzten Fazite in etwa so lautete: Ich muss die Feste feiern wie sie fallen. Alles richtig gemacht, oder! ;-)
Nach einem reichhaltigen Frühstück machte ich mich auf den Weg nach Prince Rupert, der letzten Empfehlung auf Erikas Liste. Ich denke ich muss
nicht extra erwähnen, dass die tollen Erlebnisse des Vortags ebenfalls Erikas Liste der Wunder der Natur zuzuschreiben sind. Bevor ich an dieser
Stelle aber eine neue Geschichte einläute muss das Frühstück des Tages noch Erwähnung finden. Ich denke jeder von uns hat schon einmal einen
Film gesehen, in welchem ein fremder in einer typischen amerikanischen Kleinstadt ein Kaffee betritt um direkt anschließend skeptisch von der
hälfte der Einwohner beäugt zu werden. Dieses Gefühl hatte ich zwar nicht beim Betreten des Temptations (Bakery & Deli), es stellte sich aber
direkt nachdem ich mein Frühstück geordert und platzgenommen hatte ein. Nach und nach füllte sich der kleine Laden bis auf den letzten Platz. Die
Einheimischen tauschten ihr Erlebnisse vom Vortag aus, bis es auf einmal ganz still wurde. Ich denke es war einfach alles gesagt. Jetzt konnte es
nur noch ein neues Thema geben und das war ich. So platzte es auch förmlich aus einer der anwesenden Damen heraus, wer ich den wohl bin, wo
ich herkomme und was ich hier wolle! Alles in einem Satz! Für einen kurzen Moment war ich wirklich sprachlos, da sich im Moment ihrer „Attacke“
gleichzeitig auch alle Blicke auf mich richteten. Gott sei dank hat es nicht lange gedauert bis ich die Worte wieder aneinanderreihen konnte und so
entstand trotz meiner wo auch immer herrührenden Kopfschmerzen ein nettes, angeregtes Gespräch. (Ich habe zwei der Damen übrigens vor dem
Lokal fotografiert. Die rechte war diejenige mit dem eindeutig größten Mundwerk. Respekt!)
Fazit:
Viele Eindrücke bewegen uns Menschen. Vereint schaffen sie es uns zu überwältigen.
Ich war in mehrfacher Hinsicht von diesem Streckenabschnitt überwältigt.
12.06.2014 bis 16.06.2014
– Unbeschreibliche Eindrücke